Warum wir über Datenschutz reden sollten – gerade jetzt.
Viele Gründer:innen denken beim Thema Datenschutz zunächst an Cookie-Banner, Einwilligungshäkchen und DSGVO-Checklisten. Was häufig übersehen wird: Datenschutz ist nicht nur eine juristische Pflicht, sondern ein strategisches Thema – mit ganz realen Konsequenzen für Vertrauen, Markenwahrnehmung und digitale Souveränität. Und aktuell braut sich am geopolitischen Horizont etwas zusammen, das dieses Thema auf ein neues Level hebt.
Denn wer auf US-Dienste wie Google, Meta, Mailchimp oder LinkedIn setzt, steht nicht nur in der Pflicht, personenbezogene Daten zu schützen – sondern hängt auch am seidenen Faden internationaler Datenschutzabkommen. Und genau dieser Faden könnte bald reißen.
Executive Order 14086 – eine Lösung auf Zeit
US-Tools sind für viele Unternehmen faktisch Standard. Nicht nur, weil sie etabliert und funktional gut sind – sondern weil man ohne sie Reichweite, Sichtbarkeit oder Effizienz riskiert. Wer auf Social Ads, E-Mail-Marketing oder CRM-Automatisierung setzt, landet früher oder später bei einem US-Anbieter.
Das Problem: Die meisten dieser Dienste verarbeiten Daten auf Servern in den USA – oder zumindest mit US-Zugriffsmöglichkeiten. Aus europäischer Sicht ist das rechtlich problematisch.
Schrems I und Schrems II haben bereits zwei Datenschutzabkommen zwischen EU und USA gekippt. Der Vorwurf: Kein ausreichender Schutz vor staatlichem Zugriff in den USA.
Das aktuell gültige EU-U.S. Data Privacy Framework stützt sich auf Executive Order 14086 – ein Erlass von Präsident Biden. Er soll sicherstellen, dass auch europäische Daten in den USA gewissen Schutzstandards unterliegen.
Allerdings: Diese Order ist kein Gesetz – sondern reine Präsidialanordnung.
Seit dem 21. Januar 2025 ist Donald Trump wieder Präsident. Viele Regelungen seines Vorgängers hat er bereits kassiert. EO 14086 steht noch – aber niemand weiß, wie lange.
Soweit, so instabil.
Was das konkret bedeutet
Fällt EO 14086, fällt das Datenschutzabkommen – und damit die Rechtsgrundlage für den Datentransfer in die USA. Die Folge: Viele Tools wären dann nicht mehr DSGVO-konform einsetzbar.
Konkret betroffen wären u.a.:
- Tracking- und Analysetools: Google Analytics, Facebook Pixel, LinkedIn Insight Tag
- CRM- und Automatisierungstools: HubSpot, Salesforce, Zoho CRM
- Newslettertools: Mailchimp, Brevo (mit US-Infrastruktur), ConvertKit
- Commerce- und Buchungstools: Shopify, Calendly, Stripe
- Cloud-Dienste: Google Workspace, Microsoft 365, Dropbox, Amazon Web Services (AWS)
Einige dieser Anbieter bieten EU-Serverstandorte an – z. B. Microsoft, AWS oder Google. Aber: Auch mit EU-Hosting kann der Zugriff durch US-Behörden unter bestimmten Umständen nicht ausgeschlossen werden. Und genau das steht immer wieder im Zentrum der Kritik.
Die Folge für europäische Unternehmen: Rechtsunsicherheit. Klärungsbedarf. Vertrauensrisiken.
Wer in sensiblen Branchen unterwegs ist – z. B. Beratung, Gesundheit, Finanzen – steht besonders unter Druck, rechtskonform zu handeln. Aber auch für Startups, Agenturen und KMU ist der Vertrauensverlust gegenüber Kund:innen ein reales Risiko.
Und trotzdem nutzen wir sie. Noch.
Weil sie funktionieren. Weil sie bezahlbar sind. Weil sie nicht hinterfragt werden.
Aber genau das macht sie zum Risiko.
Wer keine Exit-Strategie hat, wird im Zweifel kalt erwischt – und muss dann unter Druck umstellen.
Vorausschauendes Handeln heißt: jetzt Alternativen denken, bevor man dazu gezwungen wird.
Status quo: Viele nutzen US-Tools – noch
Google Ads, Meta Ads (Facebook & Instagram), LinkedIn, Mailchimp, Google Analytics, HubSpot, Calendly, Stripe, Shopify, Google Workspace, Microsoft 365.
Die Liste ist lang – und für viele Unternehmen längst Alltag. Diese Tools sind nicht nur bekannt, sondern oft Basis-Infrastruktur: für Kommunikation, Werbung, Vertrieb, Abrechnung, Analyse.
Sie sind gut dokumentiert, lassen sich einfach integrieren, bieten Support und Tutorials in jeder Sprache – und sind in vielen Branchen so selbstverständlich wie Telefon und E-Mail.
Faktisch Standard.
Gerade Gründer:innen und kleine Teams greifen gerne auf diese Services zurück – nicht aus Ignoranz, sondern aus Effizienz:
→ Schnell aufsetzen, direkt nutzen, keine langen Vergleiche oder komplizierten Setups.
→ Man will ins Machen kommen, nicht in Recherche und Bürokratie versinken.
Datenschutz? Kein Randthema!
Was dabei oft unterschätzt wird: Datenschutz ist kein rein rechtliches Thema. Wer mit personenbezogenen Daten arbeitet, handelt im Namen seiner Kund:innen – und trägt Verantwortung.
Und genau hier wird es strategisch:
- Kund:innen erwarten heute Transparenz und Fairness im Umgang mit ihren Daten.
- Datenschutz ist Teil des Markenerlebnisses – gerade in sensiblen Branchen oder bei erklärungsbedürftigen Leistungen.
- Wer Souveränität zeigt, gewinnt Vertrauen. Und damit Differenzierung, Glaubwürdigkeit und langfristige Kundenbindung.
Wir bei Traute&Wagner haben uns gefragt:
Was tun wir, wenn das Fundament wankt?
Was passiert, wenn das Data Privacy Framework wegfällt?
Wenn US-Tools über Nacht nicht mehr datenschutzkonform sind – oder zumindest rechtlich fragwürdig?
Wir haben uns entschieden, nicht zu warten, bis es so weit ist, sondern jetzt schon zu prüfen, was wir ersetzen können. Und wo wir vorbereitet sein müssen.
Unsere Antwort: Exit-Strategie mit Haltung
Wir sind keine Datenschutz-Puristen. Aber wir sind realistisch. Und genau deshalb bereiten wir uns vor – auf den Fall, dass das transatlantische Datenschutzabkommen kippt. Nicht aus Panik, sondern aus Verantwortung.
Wir haben uns gefragt:
Welche Tools wären für uns kritisch? Und was würden wir tun, wenn sie nicht mehr rechtskonform nutzbar wären?
Die kurze Antwort:
Wir hätten einen Plan. Und wir arbeiten daran, ihn einsatzbereit zu halten.
Ein paar Beispiele aus unserem Werkzeugkasten:
- Mailchimp
- Wenn EO 14086 fällt: raus. Wir stellen in dem Fall auf eine europäische Lösung um – und zwar ohne Übergangschaos. Derzeit evaluieren wir Alternativen mit EU-Hosting und DSGVO-konformem Setup.
- LinkedIn & Meta Ads
- Tracking und Retargeting würden gestoppt. Paid-Kampagnen laufen nur weiter, wenn sie auch ohne personenbezogenes Nutzertracking auswertbar sind. Branding ja – Tracking nein.
- Google Analytics 4
- Wird im Fall der Fälle kritisch geprüft. Falls notwendig: Umstellung auf Matomo (self-hosted). Nicht fancy, aber stabil – und datenschutzkonform.
- Reddit Ads
- Aktuell testen wir den Kanal. Sollte EO 14086 fallen, fahren wir entweder im Blindflug ohne Tracking oder werten ausschließlich via Matomo aus.
- Google Workspace
- Nicht im Einsatz. Wir setzen bewusst auf Alternativen mit europäischer Infrastruktur.
- Microsoft 365
- Wir nutzen das Office-Paket lokal – ohne Cloudspeicherung. Kundendaten liegen bei uns auf einer managed Nextcloud-Instanz mit EU-Hosting, DSGVO-konform und unabhängig vom US-Rechtsraum.
Warum der Aufwand?
Weil wir nicht überrascht werden wollen.
Weil wir glauben, dass digitale Souveränität kein Buzzword ist, sondern ein echter Standortvorteil. Und weil wir das, was wir unseren Kund:innen empfehlen, auch selbst leben.
Was das für dich bedeutet – und was du jetzt tun kannst
Viele Gründer:innen und kleine Unternehmen setzen auf US-Tools, weil sie funktionieren. Verständlich. Aber genau deshalb lohnt sich jetzt ein prüfender Blick: Wie abhängig bist du wirklich? Und wie vorbereitet wärst du im Ernstfall?
Erste Schritte für deine Exit-Strategie
- Tool-Check machen
Welche Tools nutzt du aktuell, die Daten potenziell in die USA übertragen?
Typische Kandidaten:
- Mailchimp, ConvertKit, Brevo (teilweise)
- Google Analytics, Google Ads, Google Fonts
- Meta Ads (Facebook, Instagram)
- LinkedIn, LinkedIn Insight Tag
- HubSpot, Salesforce, Zoho
- Shopify, Stripe, Calendly
- Google Workspace, Microsoft 365 (inkl. OneDrive, Outlook, Teams)
- Cloudspeicher wie Dropbox, iCloud, Amazon S3
- Datentransfer prüfen
Findet eine Übertragung personenbezogener Daten statt? Dazu zählen:
→ IP-Adressen, Tracking-IDs, Kontaktformulare, Newsletter-Abos, Login-Daten, gespeicherte Cloud-Dokumente.
- Alternative Tools evaluieren
Hier ein paar mögliche Alternativen mit EU-Hosting oder Open-Source-Ansatz:
Kategorie | US-Tool | Alternative (EU/DSGVO-konform) |
Newsletter | Mailchimp | CleverReach, rapidmail, Mailjet |
Analytics | Google Analytics | Matomo (self-hosted), etracker |
CRM | HubSpot | CentralStationCRM, weclapp, SuiteCRM (self-hosted), EspoCRM |
CMS & Website Builder | Webflow, Wix | WordPress (selbst gehostet), Typo3 |
E-Commerce | Shopify | Shopware, WooCommerce, Magento Open Source, PrestaShop |
Terminbuchung | Calendly | cal.com (EU-Hosting), TidyCal |
Cloud-Speicher | Dropbox, GDrive | Nextcloud, Tresorit, Filen.io |
Kollaboration & Office | Google Workspace | CryptPad, OnlyOffice, Microsoft 365 mit EU-Datengrenze* |
*Hinweis: Microsoft bietet mittlerweile eine „EU Data Boundary“ an – der Zugriff durch US-Behörden kann aber dennoch nicht ausgeschlossen werden. Es bleibt ein Graubereich.
- Fallback definieren
Was wäre dein Plan, wenn du ein Tool morgen abschalten müsstest? Gibt es Exporte, Migrationstools oder Backups? Oder bist du dann erst mal offline?
Wir helfen dir gern, das durchzudenken.
Im Rahmen unseres 60-Minuten-Marketing-Checks schauen wir gemeinsam auf deinen Toolstack – und klären, wie du mit vertretbarem Aufwand auf Datenschutz-Risiken reagieren kannst. Kein Alarmismus, kein Aktionismus – sondern ein Plan.
Wichtig: Wir bieten keine Rechtsberatung an.
Aber wir helfen dir dabei, den Überblick zu behalten, strategische Entscheidungen zu treffen – und bei Bedarf die richtigen Expert:innen mit ins Boot zu holen.
Du willst wissen, wie du dein Marketing DSGVO-ready aufstellst?
Dann lass uns sprechen. Lieber mit Plan – als im Krisenmodus.
Fazit: Datenhoheit ist kein Luxus – sondern Überlebensstrategie
Wer heute über Datenschutz redet, redet über mehr als Paragrafen. Es geht um Vertrauen, Unabhängigkeit – und um Resilienz in einem digitalen System, das sich politisch jederzeit verschieben kann.
Digitale Souveränität ist kein Idealbild. Sie ist Wettbewerbsfaktor.
Gerade für kleine Unternehmen und Gründer:innen kann der richtige Umgang mit Tools, Daten und Hosting-Entscheidungen darüber entscheiden, wie stabil das eigene Geschäftsmodell aufgestellt ist – und wie glaubwürdig die eigene Marke wahrgenommen wird.
Wir glauben:
Transparenz und Verantwortung zahlen sich aus.
Nicht übermorgen – sondern jetzt. Denn wer vorbereitet ist, gewinnt Handlungsfreiheit.
Und du?
Wie siehst du das? Schon Exit-Strategie in der Schublade – oder noch Hoffnung auf das transatlantische Wunder?
Schreib uns gern, kommentier, diskutier mit uns – oder buch dir direkt den Marketing-Check, wenn du aus „Ich müsste mal …“ ein „Ich hab einen Plan!“ machen willst.
Let’s make it happen.
Schreibe einen Kommentar
Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar abzugeben.